Immer wieder gibt es Diskussionen mit Interessenten, die eine Katze adoptieren möchten und unsere Haltung, die Katzen in der Regel nur als Freigänger zu vermitteln, überhaupt nicht gutheißen können. Auch in den sozialen Medien kocht dieses Thema immer wieder hoch und wird dort unter völliger Missachtung der Netiquette, aber das kennt man ja nicht anders, diskutiert.
Wir möchten nun allen wirklich am Thema Interessierten unsere Vermittlungskriterien darlegen und erklären, was wir uns dabei denken. Das wichtigste Kriterium bei jeder Vermittlung ist für uns die Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse des Tieres. Man hört immer wieder das Argument: “Im Tierheim XY haben wir sofort ein Tier bekommen!” Das ist sehr schön und sorgt sicher zunächst für glückliche und hochzufriedene Adoptanten. Es liegt in der Natur des Menschen in unserer westlichen Zivilisation, dass er seine Wünsche möglichst schnell und problemlos erfüllen möchte.
Wir sehen unsere Aufgabe aber nicht in erster Linie darin, die Menschen glücklich zu machen, sondern dafür zu sorgen, dass das richtige Tier zum richtigen Menschen findet. So passt zum Beispiel eine in einem Vielkatzenhaushalt mit vielen anderen Katzen aufgewachsene Katze nicht als Einzelkatze zu voll berufstätigen Menschen, und die scheue, ängstliche Katze lebt sicher lieber in einem ruhigen Haushalt als im Trubel. Nur wenn auf die Bedürfnisse und Eigenarten des Tieres eingegangen werden kann, kann das Tier glücklich werden und so letztendlich auch der Mensch.
In den Gesprächen mit den Interessenten versuchen wir auch immer ausführlich über die finanziellen Seiten der Tierhaltung zu sprechen. Nicht jeder zukünftige Tierhalter ist sich der Kosten bewusst, die auf ihn zukommen können. Es ist immer sehr traurig für uns, wenn Tiere aufgrund nicht aufzubringender Tierarztkosten bei uns abgegeben werden. Und dies ist leider kein Einzelfall, sondern für uns Alltag. Wir hoffen, unseren Tieren dieses Schicksal durch gute Aufklärung ersparen zu können.
Ob die Katze als Einzeltier oder zu einem oder mehreren Kumpels vermittelt werden soll, machen wir ganz vom jeweiligen Tier abhängig. Die Katzen sind zumindest immer einige Wochen in unserer Obhut, manche kranke oder im Bezug auf ihr Verhalten schwierigere Tiere auch mal viele Monate. In der Zeit lernen wir die Katzen gut kennen, haben täglich Kontakt und können uns ein Bild vom Charakter, den Vorlieben, Abneigungen und Eigenarten des Tieres machen. Wie wir Menschen auch, ist keine Katze gleich, und so versuchen wir alles zu berücksichtigen und das passende Zuhause zu finden.
Der große Kritikpunkt ist, wie bereits angesprochen, die Vermittlung der Katzen als Freigänger. Wir alle, die wir im Tierheim arbeiten und für die Versorgung und Vermittlung der Katzen verantwortlich sind, arbeiten seit vielen Jahren mit Tieren und für Tiere. Wir selbst haben eigene Katzen (es gibt immer Sorgenfelle, die das Herz so erobert haben, dass man sie nicht mehr gehen lässt) und von daher wissen wir um die Probleme und Sorgen, die die Haltung von Freigängerkatzen mit sich bringt, aber auch um das große Glück.
Wir möchten betonen, dass es bei dieser Diskussion keine endgültige Lösung gibt. Es gibt kein richtig und falsch. Es ist wie in der Politik oder Religion: Jeder hat seine Meinung, geprägt durch eigene Ansichten und Erfahrungen. Wir wollen auch niemanden von unserer Einstellung überzeugen, aber wir möchten dazu anregen, darüber nachzudenken und auch diese Meinung zuzulassen.
Wir legen all unseren Vermittlungsauflagen die Richtlinien der TVT (Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz) zugrunde, die jeder nachlesen kann. Die Anforderungen an eine Haltung von Katzen in der Wohnung sind recht hoch und es ist fraglich, ob wirklich alle Menschen, die ihre Katzen nur in der Wohnung halten, diese Richtlinien erfüllen. Katzen haben sich, im Gegensatz zu unseren Hunden, selbst domestiziert. Ihre Genetik hat sich im Laufe der Jahrtausende kaum verändert (bis zu dem Punkt, als der Mensch begonnen hat, Rassekatzen zu züchten, was in vielen Fällen gründlich misslang), so dass die Ansprüche unserer heutigen Katzen noch genau dieselben sind wie bei ihren wilden Vorfahren. Sie legen weiter Wege zurück, klettern, springen, jagen. Das Revier einer Katze beträgt, abhängig vom Geschlecht, 0,5 bis 2 Hektar; bei unkastrierten Katern, die auch oft in reiner Wohnungshaltung leben, bis zu fünfmal so viel. Es ist sicher keine Frage, dass diese Fläche in einer Wohnung kaum geboten werden kann.
Dazu ist eine Wohnung im Gegensatz zur Natur sehr reizarm und die Möglichkeiten für die Katze, sich auszutoben und ihren Veranlagungen gerecht zu werden, sind begrenzt. Natürlich kommt ab und an eine Fliege vorbei und es gibt diverses Spielzeug, aber es kann immer nur ein Ersatz sein. Ein schlagendes Argument sind die Gefahren, die der Freigang mit sich bringt: Autounfälle, Katzenhasser, Hunde, etc. Dies ist nicht von der Hand zu weisen. Das Leben ist gefährlich, auch für uns Menschen. Auch wir würden unsere Risiken stark minimieren, wenn wir das Haus nicht verlassen würden, aber erinnern wir uns bitte an die Coronabestimmungen und wie wir Menschen damit zu kämpfen hatten. Wir wollen uns unsere Freiheit nicht auf Dauer beschneiden lassen, auch wenn es uns schützen könnte!
Unser tägliches Brot sind Katzen, die chronische Blasenprobleme haben, sich die Haut aufkratzen und -lecken und an diversen anderen psychisch bedingten Erkrankungen leiden. Zu 99% haben diese Katzen nur im Haus gelebt. Und immer wieder bekommen wir auf Nachfrage erzählt, wie sehr die ehemals kranke Katze ihren Freigang im neuen Zuhause genießt und keine Probleme mehr hat. Da wir im weitläufigen, eher ländlichen Siegerland leben und nicht im großstädtischen Ballungsraum, denken wir, dass es hier genug schönen Lebensraum für Katzen gibt. Im Ruhrgebiet sieht das z.B. anders aus.
Und nun zum Thema “Jäger-Katze”! Natürlich ist die Katze ein fanatischer Jäger. Sie liebt es, Mäuse und Ratten zu fangen, was von uns Menschen toleriert und meist gewünscht wird. Bei Vögeln sieht das anders aus. Auch wir finden es traurig um jeden Vogel, der durch eine Katze sein Leben verliert. Aber ist wirklich nur die Katzenpopulation schuld an den sinkenden Vogelbeständen? Sind die Steingärten statt Blumenbeeten, Gabionen (in Gitterkäfige gesperrte Steine) statt Hecken, betonierte Flächen statt Natur nicht auch mitschuldig? Und überhaupt der Mensch und sein Vergehen an der Natur? Der eine wird sagen: “Ja”, der andere wird auf der alleinigen Schuld der Katzen beharren und ein Freigangsverbot für Katzen fordern.
Wir sind für uns zu der Einsicht gekommen, dass eine Katze eines der wenigen Tiere ist, denen man mit Freigang eine sehr artgerechte Haltung ermöglichen kann. Und wenn wir uns fragen, was wir als Katze uns wünschen würden: Doch lieber Freiheit! Natürlich muss dies jeder für sich überdenken und entscheiden, wir haben uns entschieden, dass wir für unsere Katzen Freigang wünschen. Somit können wir nicht jedem Interessenten gerecht werden. Solange wir aber für unsere Katzen zeitnah immer ein schönes Zuhause finden, werden wir unsere Katzen mit Freigang vermitteln.
Die Katzen, die sehr lange bei uns verweilen, tun dies nicht, weil wir auf Freigang beharren, sondern weil sie andere Probleme haben, die die meisten Menschen davon abhalten, ihnen ein Zuhause zu geben.